niederrheinisch - nachhaltig 

Mittwoch, 28. Juni 2023

Raumordnung und Chemische Industrie im Grenzland: Über das „Delta-Rhine-Corridor“-Projekt (DRC)

„Fossiles Beharrungsvermögen“ und „effektives Lobbying“. Das sind zwei Kennzeichnungen, die nicht wenige mit der Chemieindustrie verbinden. „Zwickmühle“ könnte nach dem Februar 2022 dazukommen. Denn die Produkte der Chemieindustrie haben für unseren Alltag eine zentrale Bedeutung, doch ihre Produktion und ihre Logistik sind auf Dauer nicht mehr wettbewerbsfähig. Denn sie sind ziemlich weit vom Ideal einer resilienten, ressourcenleichten, biobasierten und klimaneutralen Kreislaufwirtschaft entfernt.

Das auch für die Raumordnung des niederländisch-deutschen Grenzlands bedeutsame Delta-Rhine-Corridor-Projekt soll ein Element auf dem Weg zu einer nachhaltigen Chemie der Zukunft sein. Es soll in 2020er Jahren realisiert werden, wirft aber noch einige Fragen auf…

Auf dem Weg in eine „klimaneutrale“ Plünder- und Plundergesellschaft?

Für die von fossiler Energie immer noch stark abhängige Chemiebranche war 2022 ein Jahr voller Hiobsbotschaften. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, das Sanktionsregime, Lieferengpässe, Gasmangel, neue Geostrategien und explodierende Energie- und Rohstoffpreise stürzten die Chemiebranche in eine Krise. Ein Ausweg: bezahlbarer Strom aus erneuerbaren Energien. 

Der hohe Strompreis führe dazu, dass 40 Prozent der Chemie-Unternehmen in Deutschland über eine Auslagerung der Produktion in kostengünstigere Länder nachdenken, behauptet Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU (1). Allerdings geht er nicht darauf ein, worauf sich die 40 Prozent beziehen, was „nachdenken“ heißt und welche „kostengünstigere Länder“ außer USA und China gemeint sind.

Der Wettbewerb um den Zugang zu und die Verteilung von „grüner Energie“ ist längst im Gange. Fossile Konzerne wie Shell, ExxonMobil, BP oder RWE sind in die erneuerbare Energieproduktion eingestiegen.  Es scheint, als führten sie parallel einen Kampf um den langen Erhalt des fossilen Energiesystems. Unter dem Deckmantel der „Klimaneutralität“ bauen sie gleichzeitig an neuen Strukturen für Fracking-Gas oder fossil produziertem Wasserstoff.

Trotz aller Wenderhetorik bewegt sich das globale Energiesystem immer noch in die entgegengesetzte Richtung zum Pariser Klimaabkommen.  Der weltweite Primärenergieverbrauch stieg im Jahr 2022 um rund 1 %, der Kohleverbrauch um 0,6%. Der Ölverbrauch stieg auf 97,3 Millionen Barrel pro Trag. Die Nutzung erneuerbarer Energien (ohne Wasserkraft) stieg zwar um 13 %, doch die Dominanz fossiler Brennstoffe blieb jedoch mit knapp 82 % des Gesamtverbrauchs weitgehend unverändert. Die weltweiten Treibhausgasemissionen bei der Energieproduktion stiegen weiter an - im Jahre 2022 um 0.8%. Im Krisenjahr 2022 erreichten die Erdgas- und Kohlepreise in Europa und Asien Rekordhöhen. (2)
Die Weltmarktpreise der für die Energiewende notwendigen Schlüsselmineralien Lithium und Kobalt stiegen ebenso wie die deren Produktion um über 20%. (2)

Egal, ob erneuerbar oder nicht: Es geht beim Energiesystem auch um Landnahmen auf Kosten der Naturentwicklung, um koloniale Wirtschaftsstrukturen, um geostrategische Druckmittel, um Standortwettbewerb und ein „Weiter so“ der profitorientieren Wachstumswirtschaft. Schafft es eine Plunder- und Plündergesellschaft „klimaneutral“ zu werden? Welche Chancen hat eine global gerechte Klimapolitik?

Es waren auch drei Initiativen aus der Chemieindustrie, die den Weg zu einer Transformation des Energiesystems geebnet haben:

1. Im Auftrag des Verbands der Chemischen Industrie haben das Münchener Beratungsunternehmen Future Camp Climate GmbH und die aus über 5,900 Personen und Organisationen bestehende Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie DECHEMA  im Oktober 2019 einen möglichen Weg für die Transformation der deutschen chemischen Industrie in Richtung Treibhausgasneutralität beschrieben (3)

2. Das 2017 von Marieluise  Beck und Ralf Fücks gegründete „Zentrum Liberale Moderne“ und der Verband der Chemischen Industrie diskutierten zwischen Juli 2021 und April 2022 mit Vertreter*innen aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft über Nachhaltigkeit in der chemisch-pharmazeutischen Industrie (4)

3. Die Plattform Chemistry4climate arbeitete zwischen Mai 2021 und April 2023 am Weg zu einer treibhausgasneutralen an Recycling orientierten Chemie und stellte am 26. April 2023 ihren Abschlussbericht vor. (5)  Um „klimaneutral“ zu werden, braucht die Branche 2045 gut 500Terrawattstunden Strom aus erneuerbaren Energien. Das entspricht in etwa dem derzeitigen gesamten Stromverbrauch in Deutschland. Ihr ohnehin schon immenser Wasserstoffverbrauch würde sich verachtfachen und CO2 würde zur wichtigsten Kohlenstoffquelle der Zukunft. Für die „neue Chemie“ seien daher neue regionale und überregionale Infrastrukuren wie Pipelines vonnöten. „Die Netzentwicklungsplanungsprozesse Strom, Erdgas, Wasserstoff (und CO2 ) müssen künftig noch enger miteinander verzahnt werden“ (5 S. 88) fordert der deutsche Chemie-Think Tank 2023.

Ein solches Bündelungsprinzip gehört seit einigen Jahren zum niederländischen Konzept. Das gilt auch für das Projekt Delta-Rhine-Corridor.

Was ist das DRC-Projekt?

Bei dem zwei Jahre nach dem Start einer Machbarkeitsstudie (6) im Juni 2023 auf den Weg gebrachten Delta-Rhine-Corridor-Projekt (DRC) (7) geht es auch darum, mit großformatigen Chemiepipelines und einer grenzüberschreitenden Kohlendioxid- und Wasserstoffinfrastruktur der niederländischen und deutschen (Chemie-)Industrie strategische Wettbewerbsvorteile im Kampf um Klimaneutralität zu verschaffen.

Das gilt auch für den 800 Hektar umfassenden Chemie- und Wissenschaftscluster Chemelot in Sittard-Geleen, einer der größten CO2-Emittenten der Niederlande. Er will „bis 2025 der wettbewerbsfähigste und nachhaltigste Material- und Chemiestandort in Westeuropa“ werden. (8)  Geschäftsführer Loek Radix:Für Chemelot erfordert die Rohstoff- und Energiewende, dass wir einfachen Zugang zu zirkulären Rohstoffen und Energie haben. Wir sind sehr gut aufgestellt, um bis 2050 CO2-neutral zu sein, aber es steht uns eine große logistische Herausforderung bevor.“

Um sie zu bewältigen, sei der Delta-Korridor sei eine entscheidende Voraussetzung. Auch eine Abkehr von den traditionellen Transportmöglichkeiten (Schiene, Straße, Wasser) sei unerlässlich, um eine breite gesellschaftliche Unterstützung für die Transformation zu gewinnen. (9)

DRC soll dazu beitragen, dass der Hafen von Rotterdam seine Position als Energiedrehscheibe für Nordwesteuropa auch in Zukunft behalten soll. Venlo soll zu einem chemielogistischen Knotenpunkt für energieintensive Industriecluster diesseits und jenseits der Grenze werden. Ein Teil der vorgesehenen DRC-Trasse deckt sich mit der Lage bereits bestehender Rohrleitungen der 1958 gegründeten Rotterdam Rijn Pijpleiding Maatschappij (RRP) (10).

DRC wird daher zu einem Raumordnungsthema im Grenzland, zunächst auf niederländischer Seite und später auch auf deutscher Seite. Die bestehenden Trassen verlaufen unter anderem von Venlo durch Wachtendonk oder Kerken auf der einen und Grefrath, Viersen, Willich oder Grevenbroich auf der anderen Seite.

Chemiepipelines: „Aus den Augen aus dem Sinn“?

Sie sind meist unterirdisch und entziehen sich dadurch der öffentlichen Aufmerksamkeit: Chemiepipelines gelangen allenfalls in Verbindung mit unsachgemäßen Baggerarbeiten, Unfällen, Havarien, Explosionen, Materialschäden, Bodenverunreinigungen und neuerdings auch mit Anschlägen in die Schlagzeilen. Dabei können selbst kleine Stofffreisetzungen erhebliche Auswirkungen auf Wasser, Boden und die menschliche Gesundheit haben.

Deshalb ist die Flächenplanung in der Umgebung einer bestehenden Pipelinetrasse in jedem Fall sorgfältig zu prüfen. Korrosion an Öl- und Gaspipelines und an anderen wichtigen Infrastrukturen der Energie- und Wasserversorgung verursacht jedes Jahr weltweit Schäden in Höhe von mehreren Billionen Euro. Schuld sind u. a. Mikroorganismen, genauer: Sulfat reduzierende Bakterien. Sie produzieren bei ihrem Stoffwechsel Schwefelwasserstoff, der z.B. Leckagen in stählernen Rohrleitungen verursachen kann. (11)

Dementsprechend komplex sind auch die rechtlichen Grundlagen für Rohrfernleitungen: Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, Gashochdruckleitungsverordnung, Bundesberggesetz, Technische Regeln, Richtlinien und Verordnungen für Rohfernleitungsanlagen. Zweck der Regeln ist es, „eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit zu vermeiden, insbesondere den Menschen und die Umwelt vor schädlichen Einwirkungen durch die Errichtung, die Beschaffenheit und den Betrieb von Rohrfernleitungsanlagen zu schützen.“ (12)

Unterirdische Rohrleitungen gelten als eine effiziente und risikoarme Alternative zum Transport gefährlicher Stoffe auf Schiene, Straße und Wasser. Sie können weitgehend witterungsunabhängig große Stoffmengen über weite Strecken bei geringem Flächenbedarf ohne Lärmemissionen transportieren und tragen zur Entlastung von Straßen, Schienen und Wasserwegen bei. Leerfahrten und Bereitstellungsflächen sind für die Rohleitungen kein logistisches Thema. Daher ist das europäische Gasfernleitungsnetz allein innerhalb der EGIG in den letzten 50 Jahren von etwa 50.000 km auf rund 150.000 km gewachsen (13).
Hinter der EGIG verbirgt sich ein Kooperationsverbund von 18 großen Gasfernleitungsnetzbetreibern in Europa. EGIG führt eine umfangreiche Datenbank zu Vorfällen in Gaspipelines. (14) Sie sind im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes aus der Rohrfernleitungsverordnung ausgeschlossen. Für das Leitungssystem innerhalb der Betriebsbereiche gilt die Störfallverordnung.

Seit 1993 erfasst die Zentrale Melde- und Auswertestelle für Störfälle und Störungen (ZEMA) im Umweltbundesamt alle nach der 12. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (Störfall-Verordnung) meldepflichtigen Ereignisse wertet sie aus und veröffentlicht sie. (15)

Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) hat 2009 einen Forschungsbericht „Zu den Risiken des Transports flüssiger und gasförmiger Energieträger in Pipelines“ veröffentlicht (16) – Dort wird gefordert, ausführliche Berichte über Pipelineunfälle zu veröffentlichen, ein flächendeckendes Leitungsinformationssystem einzurichten und zur Unterstützung der Raum- und Flächenplanung die möglichen Schadensdimensionen systematisch abzuschätzen. (16 S. 31)

Das deutsche Gasleitungsnetz umfasst einschließlich der Nahversorgung rund 500.000 Kilometer. Beim Übergang zu einer Wasserstoffwirtschaft kommt dieser Infrastruktur eine zentrale Rolle zu: Nach und nach soll Wasserstoff das Erdgas in den Leitungen ersetzen. Etliche Leitungen, die nicht „H2-ready“ sind, werden überflüssig und müssen vorzeitig abgeschrieben werden.

DRC-Konsortium mit staatlichem Rückenwind

Ein Konsortium aus Gasunie, Open grid Europe, Shell und BASF will in einem 45 -70 Meter breiten Korridor zunächst auf 270 Kilometer innerhalb der Niederlande und später auf deutschem Gebiet ein unterirdisches Pipelinebündel und Gleichstromkabel verlegen lassen. Die niederländische Regierung unterstützt das Projekt. Sie sucht derzeit noch nach Unternehmen, die sich im Konsortium um LPG, Ammoniak- und Propen-Pipelines kümmern. Für die ins Projekt integrierte Verlegung von Gleichstromleitungen zeichnet der staatliche Stromnetzbetreiber TenneT verantwortlich.

DRC soll der Dekarbonisierung der Industrie dienen und erfordert auf niederländischer Seite eine Investition von 3 – 4 Milliarden Euro. Es geht unter anderem um den Transport von 2,5 Millionen Tonnen Wasserstoff pro Jahr, 2,6 Millionen Tonnen Flüssiggas, 15 Millionen Tonnen CO2 und 10 Millionen Tonnen Ammoniak pro Jahr. Der Delta-Rhein-Korridor bündelt sechs Pipelines für gefährliche Stoffe mit neuen Gleichstromleitungen.

Das Projekt hat eine niederländisch-deutsche Dimension, da es den Infrastrukturausbau von Rotterdam über Moerdijk/Geertruidenberg nach Geleen (Chemolot) und die Anbindung von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz über einen Knotenpunkt bei Venlo betrifft.

Die geplanten Pipelines sollen spätestens 2028 betriebsbereit sein. Derzeit werden Möglichkeiten geprüft, auch Energie- und Rohstoffpipelines zum Antwerpener Industrie- und Hafencluster aufzubauen.  (17 S. 8).

Verfahren startet als SVB-Projekt

© sanviacc88 auf pixabay

Das niederländische Genehmigungsverfahren wurde am 26. Mai 2023 mit dem Aufruf zur Teilnahme eingeleitet. (18) Informationsveranstaltungen haben bereits unter anderem in Tegelen stattgefunden (19). Eine Online-Talkshow ist seit dem 2. Juni 2023 abrufbar. (20)

Für die deutsche Seite ist ein Start von 2027/2028 angekündigt. Öffentlich bekannte Planungen gibt es noch nicht. Inwieweit die unter anderem im Kreis Viersen vorhandenen Gastrassen in die Planung mit einbezogen werden können, ist nicht bekannt. Das deutsche Gastransportnetz ist etwas Besonderes. Es wurde nicht primär staatlich organsiert, sondern ist über viele Jahrzehnte aus privatwirtschaftlichen Initiativen zusammengewachsen.

Das NRW-Wirtschaftsministerium kündigte am 21.Juni 2023 an, im Rahmen einer dritten Änderung des Landesentwicklungsplans 2017 (LEP) zu prüfen, „ob dem Anliegen der chemischen Industrie Rechnung getragen werden kann, im LEP bzw. über den LEP die Planung von Korridoren für überregional bedeutsame Chemie-Pipelines zu unterstützen.“ (21) Wer das DRC-Leitungsnetz für den Transport von H2 oder CO2 nutzen möchte, kann jedoch bereits jetzt Kontakt mit den Projektverantwortlichen auf deutscher Seite aufnehmen. (22)

Die niederländische Regierung hatte im Oktober 2012 eine provinzübergreifende  Strukturvision für Pipelines (Structuurvisie Buisleidingen - SVB) vorgestellt (23), um Hauptrassen für zukünftige Pipelines für gefährliche Stoffe raumordnerisch zu sichern. Das derzeitige niederländische „Gas- und Chemienetz“ besteht aus 18.000 km Pipelines. Besonders die Verbindungen zwischen niederländischen Häfen und europäischen Industrieclustern können den Niederlanden einen wirtschaftlichen Standortvorteil verschaffen. Daher liegen sie im staatlichen Interesse. Die niederländische Regierung will optimale Voraussetzungen für eine entsprechende Infrastruktur schaffen, die raumsparend ist, standort- und gesellschaftsbezogene Risiken mindert und negative Folgen für die Umwelt verhindert.

Es gilt auch hier das Bündelungsprinzip. Das heißt, dass möglichst viele Leitungen auf einer Trasse liegen sollen. Rohre für ungefährliche Stoffe, z.B. Trink- und Abwasser sind davon ausgenommen. Die niederländischen Gemeinden werden verpflichtet, den sog. Suchraum für Pipelinetrassen, die für gefährliche Stoffe reserviert werden, in ihren Bebauungsplänen abzusichern. (23)

Den Delta-Rhein-Korridor hat die niederländische Regierung als ein Projekt von nationaler Bedeutung ausgewiesen und in ihr „Meerjarenprogramma Infrastructuur Energie en Klimaat - MIEK) aufgenommen (24)

Verfahren ist in CES eingebunden

© Tobia Lindner auf pixabay

Daher ist der Korridor planerisch in die 2021 gestartete Rotterdam-Moerdijk Cluster-Energie-Strategie (CES) eingebunden. Der Cluster gilt als ein wichtiger europäischer Knotenpunkt für Energie und Logistik. Die CES wurde von einer Arbeitsgruppe der Hafenbetriebe Rotterdam und Moerdijk, der Provinzen Zuid-Holland und Noord-Brabant, Stedin und Deltalinqs, einer Vereinigung von mehr als 700 Unternehmen im Hafengebiet, ausgearbeitet. (17) In ihr geht es um neue Wertschöpfungen in einem schnell wachsenden „Nachhaltigkeitsmarkt“.

Zu den damit verbundenen infrastrukturellen, maritimen und logistischen Projekten gehören unter anderem Stromleitungen aus Offshore-Windparks, der  Ausbau der Wasserstoff- und Fernwärmeinfrastruktur im Rotterdamer Hafen, oder das Porthos-Projekt zum Transport von CO2 zu den leeren Gasfeldern und zur CO2-Unterwasserspeicherung. Porthos gilt als ein Schlüsselprojekt zur bilanziellen Verringerung des CO2-Ausstoßes von Industriebetrieben. (25) 

Ohne den Einsatz von Kohlenstoffspeicherung (CCS) seien die kurzfristigen Klimaziele der Industrie nicht zu erreichen. Dafür würden viermal so viel Elektrizität und zweimal soviel Wasserstoff benötigt wie heute. (26)

… und der Impact?

DRC wird auch im Grenzland erhebliche Auswirkungen auf Landschaft und Natur haben und wohl auch neue Betretungsverbote nach sich ziehen. Für den Bau der Rohrleitungen und die Zwischenlagerung des Aushubmaterials wird ein etwa 70 Meter breiter Korridor erforderlich sein. Tiefwurzelnde Bäume werden im Korridor verboten sein.

Die neue niederländische Limburger Koalition besteht aus der rechtspopulistischen Bürger-Bauern-Bewegung (BBB), der rechtsliberalen VVD, der christdemokratischen CDA, der sozialdemokratischen PvdA und der linken SP. In ihrem Koalitionsvertrag begrüßen die Parteien DRC. Es sei ein Projekt, das die Industrie in Limburg nachhaltiger machen könne. Das Projekt sei räumlich so zu integrieren, dass Landschafts- und Umweltbelange gewahrt bleiben. Notwendige Entschädigungen sollten angemessen sein.  Das Wissen der Limburger sei bei der Planung proaktiv zu berücksichtigen. Das Motto des Koalitionsvertrags lautet: Jeder Limburger zählt… (27)

Derzeit starten auf niederländischer Seite die Detailplanungen. Betroffen sind drei Provinzen und 29 Kommunen, 10 davon auf Limburger Gebiet.
Die Limburger Natuur- und Milieufederatie hatte am 13. Juni 2023 zu einem Informationsabend eingeladen, bei dem es auch um die Einbíndung von Natur- und Umweltorganisationen in das Genehmigungsverfahren auf niederländischer Seite ging. Viele Fragen zu den Auswirkungen auf Archäologie, Sicherheit, Hydrologie und auf Natur und Landschaft sind noch zu klären. Gesucht werden noch feste Ansprechpartner*innen, die das Projekt auf lokaler Ebene begleiten. (28)

Die Erfahrungen mit Plänen wie zur CO-Pipeline zwischen den Bayer-Werken in Dormagen und Krefeld-Uerdingen, die Komplexität mancher Straßen- und Schienen- oder Deponiequerung, die Konflikte um Strom- und Gastrassen, um Enteignungen und Risikobewertungen und die Fragen rund um Wirtschaftsdemokratie, Profitorientierung und Standortwettbewerb lassen erahnen, welche Hürden noch vor DRC liegen können. 

Was wird aus der europäischen  Industriestrategie, die derartige Einzelinitiativen zusammenbringen und systematisch den Aus- und Aufbau einer "grünen Industrie-Infrastruktur" auch unter den Aspekten einer ökologischen und sozialen Raumordnung forcieren könnte? Der Chemiesektor ist ja "nur" ein Teil der "Dirty Thirty" (29).  "Stahl" oder "Zement" brauchen ebenfalls nachhaltige Infrastrukturlösungen für Kreislaufwirtschaft und Industriesymbiosen - nicht nur in Deutschland. Sollen die etwa in einem "angereizten"  Standortwettbewerb um nationale oder regionale Vorreiterrollen entstehen?


Verweise

1. Kessler, Martin. „Ingenieure helfen mehr als Ideologen“ - Interview mit Wolfgang Steiger. Rheinische Post. 27. Juni 2023.

2. energy institute. Energy system struggles in face of geopolitical and environmental crises. [Online] 26. Juni 2023. https://www.energyinst.org/exploring-energy/resources/news-centre/media-releases/ei-statistical-review-of-world-energy-energy-system-struggles-in-face-of-geopolitical-and-environmental-crises

3. DECHEMA und FutureCamp. Chemie 2050.Auf dem Weg zu einer treibhausgasneutralen chemischen Industrie in Deutschland. [Online] 9. Oktober 2019. https://www.vci.de/vci/downloads-vci/publikation/2019-10-09-studie-roadmap-chemie-2050-treibhausgasneutralitaet.pdf

4. Zentrum Liberale Moderne. Dossier: Dialogreihe – Nachhaltige Chemieindustrie. [Online] 15. November 2021. https://libmod.de/oekologische-modernisierung-chemie/

5. Chemistry 4 climate. Wie die Transformation der Chemie gelingen kann. Abschlussbericht 2023. [Online] 26. April 2023. https://www.vci.de/vci/downloads-vci/publikation/broschueren-und-faltblaetter/final-c4c-broschure-langfassung-es.pdf

6. Port of Rotterdam. Machbarkeitsstudie prüft Delta Corridor Pipelineverbindung zwischen den Niederlanden und Deutschland. [Online] 15. Juni 2021. https://www.rrpweb.nl/wp-content/uploads/2021/06/Persbericht-HBR-RRP-15-juni-2021-def-DUI.pdf

7. delta rhine corridor. Für mehr Bewegung bei Energie und Klima in Europa. [Online] [Zitat vom: 24. Juni 2023.] https://www.delta-rhine-corridor.com/de

8. Chemelot. Vision Chemelot 2025. [Online] [Zitat vom: 24. Juni 2023.] https://www.chemelot.nl/vision

9. Chemelot. Delta corridor verbindt industrie met schone H2 en offshore css-oplossingen. [Online] 6. April 2022. https://www.chemelot.nl/nieuws/delta-corridor-verbindt-industrie-met-schone-h2-en-offshore-css-oplossingen

10. RRP. [Online] [Zitat vom: 24. Juni 2023.] https://www.rrpweb.nl/de/

11. Bundesanstalt für Materialforschung und-prüfung. BAM Report 2022/23: Transformation gemeinsam gestalten. [Online] 28. März 2023. https://www.bam.de/_SharedDocs/DE/Downloads/bam-report-2022-23.pdf?__blob=publicationFile

12. § 1 der Rohrfernleitungsverordnung

13. EGIG. 11th Report of the European Gas Pipeline Incident Data Group. [Online] 17. Dezember 2020. https://www.egig.eu/reports

14. EGIG. [Online] [Zitat vom: 24. Juni 2023.] https://www.egig.eu/

15. Zentrale Melde- und Auswertestelle für Störfälle und Störungen. [Online] [Zitat vom: 24. Juni 2023.] https://www.umweltbundesamt.de/themen/wirtschaft-konsum/anlagensicherheit/zentrale-melde-auswertestelle-fuer-stoerfaelle

16. Konersmann, Rainer; Kühl, Christiane; Ludwig, Jörg. Zu den Risiken des Transports flüssiger und gasförmiger Energieträger in Pipelines. BAM Forschungsberichtreihe (285). [Online] 2009. https://opus4.kobv.de/opus4-bam/frontdoor/index/index/year/2015/docId/166

17. Werkgroep CES Rotterdam-Moerdijk. Cluster Energie Strategie. Industriecluster Rotterdam-Moerdijk. [Online] September 2022. https://www.portofrotterdam.com/sites/default/files/2022-09/Cluster%20Energie%20Strategie%20Rotterdam-Moerdijk.pdf

18. Rijksdienst voor Ondernemend Nederland. Delta Rhine Corridor. [Online] 1. Juni 2023. https://www.rvo.nl/onderwerpen/bureau-energieprojecten/lopende-projecten/drc

19. Gasunie. Delta Rhine Corridor. [Online] [Zitat vom: 23. Juni 2023.] https://www.gasunie.nl/projecten/delta-rhine-corridor

20. Rijksdienst voor Onderneemend Nederland. Online talkshow Delta Rhine Corridor. [Online] 2. Juni 2023. https://www.youtube.com/watch?v=LkOcyijwGaY

21. Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie NRW. Schreiben vom 21. Juni 2023

22. delta rhine corridor. Für mehr Bewegung bei Energie und Klima in Europa. [Online] [Zitat vom: 23. Juni 2023.] https://www.delta-rhine-corridor.com/de

23. Ministerie van Infrastructuur en Milieu; Ministerie van Economische zaken,landbouw en Innovatie. Structuurvisie buisleidingen 2012 - 2035. [Online] Oktober 2012. https://open.overheid.nl/documenten/ronl-archief-6c800794-3400-46b7-acb0-6484f001e69c/pdf

24. Rijksoverheid. MIEK Overzicht 2022 - Meerjarenprogramma Infrastructuur Energie en Klimaat. [Online] 2. Dezember 2022. https://www.rijksoverheid.nl/documenten/rapporten/2022/12/02/ezk-miek-overzicht-2022-meerjarenprogramma-infrastructuur-energie-en-klimaat

25. Port of Rotterdam. Sechs Infrastrukturprojekte im Mittelpunkt des ersten CES Rotterdam-Moerdijk. [Online] 11. Oktober 2021. https://www.portofrotterdam.com/de/nachrichten-und-pressemitteilungen/sechs-infrastrukturprojekte-im-mittelpunkt-des-ersten-ces

26. Port of Rotterdam. Rotterdam-Moerdijk kann einen wichtigen Beitrag zu den Klimaschutzzielen und der europäischen Versorgungssicherheit leisten. [Online] 27. September 2022. https://www.portofrotterdam.com/de/nachrichten-und-pressemitteilungen/rotterdam-moerdijk-kann-einen-wichtigen-beitrag-zu-den

27. BBB – VVD – CDA – PvdA – SP. Elke Limburger telt! Coalitieakkoord 2023-2027

28. Natuur en mileufederatie Limburg. Drukbezochte informatieavond Delta Rhine Corridor. [Online] 22. Juni 2023. https://www.nmflimburg.nl/nieuws/drukbezochte-informatieavond-delta-rhine-corridor/

29. WWF und Ökoinstitut. Dirty Thirty. Emissionen des Industriesektors in Deutschland. [online] Mai 2023. https://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/Klima/WWF-DirtyThirty-Emissionen-Industrie.pdf



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